Die Zunft
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Als Zünfte – von althochdeutsch
zumft „zu ziemen“ – bezeichnet man ständische
Körperschaften
von Handwerkern,
wie sie seit dem Mittelalter zur Wahrung gemeinsamer Interessen entstanden
und bis ins 19. Jahrhundert existierten, in gewissen Regionen
(beispielsweise in der Schweiz) bis heute.
Bildtafel
von Wappen verschiedener Handwerkszünfte:
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Vorläufer städtischer Zünfte gibt es seit der römischen
Kaiserzeit; sie dienten vor allem der steuerlichen Erfassung ihrer
Mitglieder, die daraufhin oft auf das Land auswichen. Der Lateinische
Ausdruck für diese Vereinigungen war collegium, beispielsweise der
Handwerker, Kaufleute, Schiffsbesitzer, Bäcker, usw.
Die Anfänge des Zunftwesens in Mittel-, West- und
Nordwesteuropa sind im Hochmittelalter
zu finden, als zahlreiche neue Städte gegründet wurden (Stadtgründungsphase)
und die Handwerkszweige in den Städten sich stark spezialisierten.
Urkundlich als erste Zunft ist die der Weber in Mainz
bekannt (Urkunde aus dem Jahr 1099). Allerdings gilt diese Urkunde als Fälschung,
da sie nachweislich auf Mitte des 13. Jahrhunderts datiert werden kann. Als
tatsächlich älteste, urkundlich belegte Zunft gilt die der Kölner
Bettdeckenweber aus dem Jahr 1149.
In den meisten deutschen Städten lag die Macht anfänglich
nur in den Händen des städtischen Adels und der Ministerialen
der Klöster, Bischöfe und Hochadligen. Später konnten auch die
Fernkaufleute gewisse Rechte und politischen Einfluss erkämpfen. Die
Vereinigung von Handwerkern zu Zünften, das heißt ihre Organisation
innerhalb der Stadt, war während dieser Zeit oft stark eingeschränkt oder
gar verboten. Ein Zusammenschluss einer Gruppe von Menschen oder eine „Verschwörung“,
wie man es zeitgenössisch nannte, bedeutete in einer mittelalterlichen
Stadt fast immer politische Einflussnahme. Die Gründung der Zünfte war in
manchen Städten mit einer so genannten „Zunftrevolution“ oder einem
politischen Umschwung verbunden. In bestimmten Städten im Heiligen
Römischen Reich gelang es den in Zünften organisierten Handwerkern
sogar, die politische Macht ganz oder teilweise zu erobern. In den Freien
Reichsstädten galten zeitweise Zunftverfassungen, die den Zünften eine
Dominanz im Rat garantierten, was jedoch nicht mit einer Demokratie im
modernen Sinne gleichgesetzt werden kann.
Allerdings wurde den Zunftbürgern häufig von vornherein
weitgehende Autonomie zuerkannt, um die Neugründung von Städten für Händler
und Handwerker attraktiv zu gestalten (z.B. Freiburg
im Breisgau im Jahre 1120).
In Pfullendorf
fanden jährlich Wahlen statt. Diese Verfassung hatte Modellcharakter für
viele Städte und galt in Pfullendorf von 1383 bis 1803. Auch Zürich
hatte bis 1798 eine „Zunftverfassung“.
Im Spätmittelalter
und der Frühen
Neuzeit verschwanden jedoch die meisten Zunftrepubliken unter dem Druck
der Landesfürsten wieder und der politische Einfluss der Zünfte wurde
eingeschränkt oder ganz auf das Wirtschaftsrecht reduziert. Gegen die Macht
der Meister innerhalb der Zünfte bildeten die Gesellen
ab dem Spätmittelalter eigene Gesellenvereinigungen.
Die nicht in Zünften organisierten Handwerker gehörten
mancherorts zur sogenannten Meinheit.
Sie hatten dann, im Gegensatz zu ungebundenen Gesellen, Knechten
und Tagelöhnern
jedoch häufig das Bürgerrecht.
Das Leben des einzelnen Gruppenmitgliedes wurde von der
Zunft entscheidend bestimmt. Nur in dieser Einbindung konnte der
Zunfthandwerker seiner Arbeit nachgehen. Die Gemeinschaft der Amtsmeister
regelte die Arbeit und Betriebsführung des Einzelnen, die Qualität seiner
Produkte, kontrollierte seine sittliche Lebensführung, sicherte ihn in
individuellen Notfällen und betete für das Seelenheil ihrer verstorbenen
Mitglieder.
Die Entwicklung des Handwerks vom Ende des Mittelalters
bis zum 19. Jahrhundert wird durchweg als anhaltender Niedergang beschrieben
unter den mit Einführung der Gewerbefreiheit ein befreiender Schlussstrich
gezogen wurde. An Ausartungen des Brauchtums und überholten sozialen
Strukturen ist diese Beurteilung oft verdeutlicht worden. In der neueren
Forschung hat man auch die wirtschaftlichen Hintergründe dieses Abstiegs
durchleuchtet. Von konjunkturellen Schwankungen abgesehen, sanken die
Realeinkommen der Handwerker erheblich. Ursachen waren die Trennung von
Produktion und Handel (Verlagssystem),
großbetriebliche Produktionsformen (Manufaktur
und Massenproduktion),
die Konkurrenz neuer und zum Teil importierter Warenarten und die weiträumige
Verflechtung des Marktes durch neue Straßen und Verkehrsmittel.
Ob das Ende der Zünfte als eine Geschichte des
Niedergangs zu begreifen ist oder doch auch Elemente der protoindustriellen
Neuorientierung enthielt, mit anderen Worten, ob der Schritt von einer
"vertikalen Solidarität" der jeweils eigenen Zunft zur
"horizontalen Solidarität" der Arbeiterbewegung vorbereitet oder
gar vollzogen wurde, ist noch Gegenstand der wissenschaftlichen Kontroverse.
Der Zunftzwang
und damit die wirtschaftliche Macht der Zünfte wurden nach der französischen
Revolution in den von Napoleon dominierten Gebieten auch im
deutschsprachigen Raum stark eingeschränkt oder ganz aufgehoben. Nach den
Befreiungskriegen wohl stellenweise wiederhergestellt riss die Diskussion um
die Gewerbefreiheit
nun nicht mehr ab und spätestens 1871 ist diese im Deutschen Reich überall
eingeführt.
In der Schweiz
verloren die Zünfte mit der Helvetischen Revolution 1798 vorübergehend
ihre Macht, die sie aber teilweise mit der Mediation 1803 wieder zurückerlangten.
In den meisten Stadtkantonen wurden die Vorrechte der Zünfte um 1830 mit
der erzwungenen politischen und wirtschaftlichen Gleichberechtigung der
Land- mit der Stadtbevölkerung beseitigt, in Basel jedoch erst in den
1870er-Jahren.
Moderne Nachfolger der Zünfte sind die Handwerkerinnungen.
Mancherorts bestehen Zünfte noch als Handwerkervereinigungen oder als
folkloristische oder gesellschaftliche Vereine, wie in Zürich. In den
verschiedenen deutschen Gebieten wurden durch die Einführung der
Gewerbefreiheit im Laufe des 19. Jahrhunderts die Zünfte abgeschafft.
In Aachen
und Köln
wirkten Zünfte in den als „Gaffeln“
bezeichneten Corporationen,
wie es in Köln im Verbundbrief
von 1396 und in Aachen im Aachener
Gaffelbrief von 1450 verfassungsgemäß festgeschrieben wurde.
In Bern sind die Gesellschaften
und Zünfte bis heute Körperschaften des öffentlichen Rechts.
In einigen Städten hat sich der Umzug einer Zunft oder
von Zunftvereinigungen in der Form von Stadtfesten erhalten. In Zürich
besteht mit dem Sechseläuten
der bekannteste jährliche Umzug der Zünfte, die hier den Status
privatrechtlicher Vereine
haben.
Das Zunftrecht galt in Städten, außerhalb dieser
war das Handwerk zunftfrei oder unzünftig. Im Gegensatz zu den Zusammenschlüssen
der Großkaufleute waren Zünfte immer institutionell beschränkt auf das
jeweilige Einzelhandwerk - auch das ein Grund für ihre weitgehende
politische Ohnmacht. Außerhalb der Zünfte durfte der Zunftberuf nicht
ausgeübt werden. Die Zunft umfasste alle Ausübenden. Mitunter waren
mehrere ähnliche Berufe in einer Zunft zusammengefasst, um eine in der
Stadt wirksame Macht zu erreichen.
Die Zünfte kontrollierten in den Städten die Anzahl der
Handwerker und Gesellen und legten ihre Regeln schriftlich in obrigkeitlich
genehmigten Zunftordnungen
fest. Damit wurden die Regeln der jeweiligen Handwerksberufe aufgestellt und
überwacht, beispielsweise Ausbildungsregeln, Arbeitszeiten, Produktqualität
und Preise. Dadurch sicherten sie, dass nicht zu viel Konkurrenz innerhalb
einer Stadt entstand. Nach innen hatten die Zünfte das Recht der Selbstverwaltung,
so regelten die Meister ihre Geldangelegenheiten eigenständig, wählten
ihre Vorsteher („Älteste“, Altmeister und Jungmeister) selbst, hatten
teilweise auch die Gesellenkasse in Verwahr, konnten Strafen verhängen und
Bußgelder eintreiben, besaßen also gewisse gewerbepolizeiliche Befugnisse.
Neben der wirtschaftlichen Funktion nahmen die Zünfte auch religiöse,
soziale, kulturelle und militärische Aufgaben wahr. Bei schwerer Krankheit
und Tod erhielten die Meisterfamilien eine Unterstützung aus der Amtslade.
Die Gesellen (wie auch die Meisterfrauen) hatten kein
Mitspracherecht. Sie und die Lehrlinge gehörten gleichwohl als Mitglieder
minderen Rechts zur Zunft. Dies entsprach der Vorstellung für das Ganze
Haus mit dem Meister als Hausvater.
Wichtige Entscheidungen waren von Zustimmung oder
Wohlwollen der Obrigkeit abhängig. Um eine Kontrolle zu gewährleisten, war
in jeder Zunft die Morgensprache
als ein regelmäßiger Versammlungstermin eingerichtet, die nicht ohne
Anwesenheit eines Ratsvertreters stattfand. Jede Zunft hatte einen festen
Ort für diese Zusammenkünfte. Altem Herkommen entsprach es, sich in einer
bestimmten Kirche zu versammeln, andere hatten das Privileg im Rathaus
zusammen zukommen und vermögendere Korporationen besaßen ein eigenes Zunfthaus,
das auch für Festlichkeiten der Mitglieder diente. Ärmere Zünfte trafen
sich im Gasthaus, in der Gesellenherberge oder im Haus eines Meisters. Zur
Tagesordnung gehörten Rechnungslegung, Meldungen zum Meisterstück,
Freisprechungen von Lehrjungen. Klagen unter den Mitgliedern nahmen breiten
Raum ein und waren möglichst hier zu schlichten, bevor die öffentliche
Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen wurde. Die Morgensprache fand bei geöffneter
Lade
statt. In dieser meist anspruchsvoll gestalteten Truhe waren die Urkunden,
Gelder, Siegelstempel, und Silbergefäße (Willkomme)
der Zunft aufbewahrt und konnten von allen gesehen werden. Schon vor dem
Ende der Zünfte wurden die Morgensprachen dort abgeschafft wo
Gewerbekammern eingerichtet wurden.
Im Spätmittelalter
gründeten Zünfte auch Singschulen, an denen der Meistergesang
gepflegt wurde.
Auch die Gesellen hielten regelmäßige Versammlungen
(mancherorts ‚Krugtage‘ genannt) ab. Die ritualisierten Trinksitten
ahmten die zeremoniellen Gebräuche bei der Morgensprache der Meister nach.
Auch die Gesellen besaßen oft eine Lade, die ähnlich wichtig genommen
wurde wie die der Meister und daher wurde oft die Gesellenkorporation selbst
auch kurz als „Gesellenlade“ bezeichnet. Das Zusammengehörigkeitsgefühl
einer Gesellenlade war ungleich stärker als das der Gesamtheit der Gesellen
einer Stadt. Wo die Gesellen kämpferisch wurden, geschah dies nicht in
einem modernen, politischen Sinne, der etwa auf soziale Verbesserungen
abgezielt hätte, sondern hatte die Wahrung überkommener Rechte, Bräuche
und Ehrbegriffe zum Ziel. Dennoch sahen Meister und Obrigkeit in den
Gesellenunruhen des 18. und 19. Jahrhunderts eine so große Bedrohung, dass
viele Gesellenladen aufgehoben wurden.
Wer als Lehrling aufgenommen werden wollte, kam in der
Regel aus einer Bürgerfamilie. Zu den Voraussetzungen für den Eintritt in
die Zunft gehörte durchweg und ausdrücklich die ehrbare
Geburt. Auch durften seine Eltern nicht aus unehrbaren
Berufen stammen, als solche galten, regional unterschiedlich, zum
Beispiel Abdecker, Gerber, Henker, Müller oder Schäfer Die Lehrzeit
dauerte 3-6 Jahre. Die Zahl der Lehrlinge war in den einzelnen Gewerken
unterschiedlich. Goldschmiede beschäftigten durchschnittlich nur einen
Lehrling oder Gesellen, im Textilgewerbe waren es sehr viel mehr. Die
Lehrlinge waren weitgehend rechtlos und vom Meister abhängig. In Zünften
mit großem Hilfskräftebedarf bezogen sie einen (geringen) Lohn, in den
meisten Berufen mussten sie bzw. ihre Väter ein Lehrgeld bezahlen. Für sie
gab es keine Organisationsform und keine Interessenvertretung. Daher
besitzen wir auch keine auf diese Gruppe bezogenen materiellen
Handwerksaltertümer, wie sie von Meistern und Gesellen überliefert wurden.
Das Gesellenstück als Abschluss der Lehrzeit ist wohl erst um 1800
aufgekommen.
Am Ende der Lehrzeit wurde der Lehrjunge, häufig in der
Versammlung der ganzen Zunft, „ausgeschrieben“, „losgegeben“ oder
„abgedingt“. Mit diesem Ereignis waren in manchen Zünften grobe Bräuche
(Hänseln)
verbunden. Die Ableistung einer Wanderung
war im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung keineswegs in allen Zünften
vorgeschrieben. Wo sie gefordert wurde, war dies erst in
nachmittelalterlicher Zeit eingeführt worden. Ob ein Geselle heiraten
durfte, war für die ganze Zunft einheitlich festgelegt. Im 18. Jahrhundert
verschlechterte sich die soziale Lage der Gesellen zusehends. In noch stärkerem
Maß als heute war der Arbeitsmarkt von saisonalen und konjunkturellen
Schwankungen abhängig. Unruhen und Arbeitsniederlegungen nahmen zu, zielten
aber selten direkt auf die Beseitigung sozialer Missstände ab, sondern
hatten häufig Ehrensachen zum Anlass; indirekt war auch dies freilich ein
Ausdruck der ungelösten sozialen Probleme. Gesellenkorporationen waren vor
allem nach innen stark, über ein dumpf empfundenes Gerechtigkeitsgefühl
hinaus waren sie vor dem 19. Jahrhundert nur selten in der Lage, sich
politisch zu artikulieren. Das Bürgerrecht erwarb der Geselle in der Regel
nicht. Vielen Gesellen fehlte das nötige Kapital, um sich als Meister
selbständig zu machen. Chancen zu sozialem Aufstieg boten sich oft nur
durch Übernahme einer Werkstatt auf dem Wege der Heirat mit Tochter oder
Witwe des Meisters.
Je angesehener und vermögender eine Zunft war, umso stärker
war das Bedürfnis der Meisterfamilien, sich nach außen abzuschließen und
den Eintritt von Fremden zu behindern. Meistersöhne wurden bevorzugt, wenn
sie eine Meistertochter aus dem gleichen Gewerbe heirateten („geschlossene
Heiratskreise“).
Man drosselte den Zugang durch Begrenzung der zugelassenen Meisterzahl oder
eine Zulassungsquote pro Jahr. Gesellen, die Meister werden wollten, hatten
je nach Stadt, Zunft und historischer Situation weitere Bedingungen zu erfüllen.
Die hohen Anforderungen beim Zugang zur Meistertätigkeit
waren nur teilweise mit der Sorge um einen hohen Qualitätsstandard
begründbar. Vielmehr ging es darum, die Nachfrage mit dem Leistungsangebot
in Abstimmung zu bringen und die Konkurrenz gering zu halten. Durch das
beherrschende Angebotsmonopol
wurden die Preise kartellartig
von der Zunft festgelegt.
Neben den Zünften gab es „Freie Gewerbe“ und Sozietäten,
die im Rang weniger geachtet waren und meist auch in geringerem Maße
obrigkeitlich beaufsichtigt waren. In ihren Sitten und Einrichtungen
eiferten sie gleichwohl dem Vorbild der angesehenen Zünfte nach.
Handwerker, die sich als Künstler durch besonderes Können
auszeichneten oder als Unternehmer mit ihrer Wirtschaftskraft aus dem
Zunftniveau herausragten, bekamen von der Obrigkeit gelegentlich den Status
eines Freimeisters.
Sie sind vergleichbar den Hofhandwerkern, die als Beschäftigte des Adels
den städtischen Ordnungsstrukturen entzogen waren.
Zünfte besaßen auf die Arbeiten, auf die sie privilegiert
waren, ein Monopol.
Allenfalls auf Messen oder Jahrmärkten durften konkurrierende Produkte
angeboten werden. Doch gab es allerorten eine quantitativ schwer zu fassende
Schicht von Handwerkern, die in Norddeutschland so genannten Bönhasen,
die außerhalb der Zünfte heimlich arbeiteten. Darunter waren Soldaten, die
von ihrem Sold nicht leben konnten, Seeleute, die sich im Winter Arbeit an
Land suchen mussten. Es gab darunter Gesellen, die wegen Heirat oder anderen
„Verfehlungen“ aus der Zunft ausgeschlossen worden oder sonst irgendwie
in ihrer Handwerkerlaufbahn gescheitert waren. Von den Zunftmeistern wurden
sie angefeindet und verfolgt, als Bönhasen lächerlich gemacht und als
„Pfuscher“, „Störer“ oder „Stümper“ abqualifiziert. Es wurde
ihnen auch mit Gewalt „das Handwerk gelegt“, indem die Zunftmeister bei
ihnen eindrangen und Arbeiten samt Werkzeugen an sich nahmen. Von den
Obrigkeiten wurden diese Gewalttätigkeiten geduldet, doch die „kleinen
Leute“ ergriffen bei diesen gelegentlich in Schlägereien ausartenden „Bönhasenjagden“
oft die Partei der billiger arbeitenden Illegalen. Ferner gehörten zur
handwerklichen Unterschicht Flickschuster und Kesselflicker, die vielen
Hilfskräfte in den Textilgewerben und ähnlich gering qualifizierte
Berufen, die teils in der Zunft, teils außerhalb, teils geduldet, teils
verfolgt, teils in der Stadt, teils in den Vorstädten und auf dem Lande,
aber immer nur am Rande des Existenzminimums ihr Auskommen fanden.
Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern begünstigte
eine Entwicklung, die im 17. Jahrhundert abgeschlossen war. Es führte zu
einer Verdrängung der Frau aus den Handwerkszünften oder wenigstens zur
Beschränkung für Frauen auf wenige Berufe. Nach Etienne
Boileau, Prévôt
von Paris, ist überliefert, dass von etwa hundert Handwerksberufen
mindestens fünf reine Frauenberufe waren, außerdem gab es einige
gemischte.
„Gewerbe, in denen Frauen das Monopol
hatten, waren auf der gleichen Basis organisiert wie die von Männern
betriebenen, und den Branchen, in denen Männer und Frauen gleichermaßen tätig
waren, traten Frauen zu den gleichen Bedingungen bei wie Männer und waren
dem gleichen Reglement unterworfen.“
– Eileen
Power
Für Köln findet sich ein Beleg für eine gemischte
Zunft.
„Die Goldspinnerinnen waren mit einem Teil
der Goldschläger zu einer Zunft vereinigt.“
– Edith
Ennen: Gemischte Berufe in Köln
Es gab allerdings Zünfte, die Frauen als Zunftmitglieder
akzeptierten wie die Garnmacher,
die Seidenweber
und die Seidenmacher.
Als Familienangehörige waren Frauen an einigen Leistungen der Zünfte
beteiligt, konnten aber meist keine Vollmitgliedschaft erwerben.[
Viele Zunftordnungen enthielten die Vorschrift: Stirbt ein
Meister, „muß die Witwe innerhalb von ein bis zwei Jahren erneut
heiraten, ansonsten verliert sie die Werkstatt ihres Mannes.“ In einigen
Städten war es auch möglich, dass die Witwe im Namen des Sohnes und
Nachfolgers das Geschäft bis zur Mündigkeit weiterführte.
Juden
war die Mitgliedschaft in einer Zunft seit dem Mittelalter bis in die
Neuzeit verwehrt. Deshalb mussten sie sich mit Handel und Geldwirtschaft den
Lebensunterhalt erwerben, denn auch Landbesitz war ihnen zumeist verwehrt.
Im slawisch-deutschen Grenzgebiet mussten die Zunftmeister
üblicherweise Deutsche sein. So war ein Zuzug verhindert.
1562 wurden in England städtische Zunftordnungen
verallgemeinert und zu öffentlichem Recht erhoben. Zum einen wurde die
Lehrzeit je nach Land auf fünf (z.B. Frankreich) bis sieben (z.B. England,
Heiliges Römisches Reich) Jahre festgelegt, während andererseits für jede
Zunft vorgeschrieben wurde, wie viele Lehrlinge ein Meister ausbilden
durfte. Die lange Lehrzeit wie auch die Beschränkung der Lehrlingszahl führten
zu einem größeren Ausbildungsaufwand, was folglich die Zahl der
Konkurrenten niedrig und die Preise hoch hielt.
Wie Adam Smith 1776 kritisierte, könne eine lange
Lehrzeit kein Garant für eine hochstehende Qualität der hergestellten
Waren darstellen. Des Weiteren sah er in der Zunftordung Verstöße gegen
die Freiheit, indem ein armer Mann daran gehindert wurde, seine Kraft (=
sein Kapital) uneingeschränkt zu nutzen. Anstatt dass eine lange Lehrzeit
den Fleiß des Lehrlings fördern würde, hegten Lehrlinge eine innere
Abneigung gegen Arbeit, wenn nichts Neues dazugelernt werden könne.
Insgesamt sah Smith in der zünftischen Berufslehre eine Institution, welche
hauptsächlich die Produzenten schützte, wobei deren Abschaffung dem
Konsumenten durch niedrigere Preise aufgrund höherer Konkurrenz zugutekäme.
(Berufs-)Bildung sollte gemäß Smith entprivatisiert werden, um die
Dynamisierung der Gesellschaft voranzutreiben und um die Qualifizierung von
Lehrlingen sicherzustellen.
Auch Christoph Bernoulli kritisierte die wirtschaftlichen
Einschränkungen der Zunftordnung 1822 in seiner Schrift «Über den
nachteiligen Einfluss der Zunftverfassung auf die Industrie», da sie sich für
Lehrlinge als nachteilig erweisen würden. Daraufhin forderte er, das
Zunftwesen direkt abzuschaffen. Sein Gegenspieler, Johann Jakob Vest überzeugte
viele seiner Anhänger von den negativen Folgen einer zunftlosen
Gesellschaft und kritisierte Bernoulli, nur Negatives am Zunftwesen
anzuprangern, ohne dabei selber Vorschläge für Neuerungen vorzulegen. Im
Streit um den weiteren Verlauf des Zunft- und Innungswesens stand dabei das
Lehrlingswesen im Mittelpunkt, da es das zentrale Reproduktionsmittel der Zünfte
war. Eine Reformation des Lehrlingswesens hätte das Ende der Zünfte und
letzten Endes auch eine Neuordnung der Gesellschaft bedeutet.
Mit dem Ende der Zünfte im 19. Jahrhundert infolge der
Industrialisierung folgte eine Entprivatisierung und eine Entkorporisierung
der Berufsausbildung, da die Organisation der Berufsbildung nun staatlich
anstatt durch Zünfte geregelt wurde. Neu wurden ebenso national gültige
Ausbildungsstandards definiert. Damit wurde (v.a. im deutschsprachigen Raum)
Bildung
mit ihren Zielen, berufliche Qualifikationen und gesellschaftliche
Kompetenzen zu vermitteln, über Berufe
neu organisiert. Ironischerweise geschah die Modernisierung der Gesellschaft
gerade durch die Berufsbildung, die in den Zünften Modernisierungsfolgen
abfedern und einen Mittelstand etablieren sollte, indem auf der Basis der
traditionell-handwerklichen Berufe ein staatlich geregeltes
Berufsbildungssystem etabliert wurde.
Die Zünfte bildeten ein soziales, ökonomisches und
religiöses System zur Regelung von Rohstofflieferungen,
Beschäftigungszahlen,
Löhnen,
Preisen,
Absatzmengen
bis hin zur Witwenversorgung.
Zünfte umfassten mitunter mehrere Berufsgruppen.
Äußeres Zeichen waren nach mittelalterlicher Tradition je nach
Zunftordnung Wappen,
Zunftzeichen
und Zunftkleidung.
Die Zünfte schrieben ihren Mitgliedern zur Sicherung von
Qualitäten Produktionsmethoden
vor. Dadurch wehrten sie zwar Überproduktionen ab, andererseits
verhinderten sie die Einführung neuer, produktiverer, eventuell weniger
gesundheitsgefährdender Produktionstechniken. Sie garantierten ihren
Mitgliedern ein standesgemäßes,
also „gerechtes“ Einkommen.
Den Verbrauchern
war durch Ausschalten von Preiswettbewerb ein stabiles Preis-Leistungs-Verhältnis
garantiert – allerdings auf hohem Preis-Niveau.
Quelle: Wikipedia